
Repeat Victimization: Warum jeder zweite Betroffene gleich mehrfach in die Falle tappt
Unbekannte Nummern, ernste Stimmen, große Dringlichkeit. Nahezu jeder von uns kennt diese Anrufe. Meist werden sie durch schnelles Auflegen beendet. Doch immer wieder gelingt es Trickbetrügern, Menschen in Gespräche zu verwickeln, deren Vertrauen zu gewinnen und am Ende ihr Geld oder sensible Daten zu erlangen. Besonders erschreckend: Oft trifft es dieselben Personen mehrfach. Was steckt hinter den Betrugsmaschen und weshalb geraten Betroffene immer wieder in diese Falle?
Nicht die Naivität der Verbraucher ist der Grund, sondern psychologische Prozesse, die auf uns alle wirken. Thomas Wrobel, Spamschutz-Experte von Clever Dialer, klärt auf, welche manipulativen Tricks die Betrügenden anwenden und wie wir uns und unsere Angehörigen vor folgenschweren Spamanrufen schützen können.
Psychologische Prozesse: Wenn Angst den Verstand in Alarm versetzt
Trickbetrüger wissen genau, welche Knöpfe sie bei uns drücken müssen. Wenn sich jemand am Telefon als Polizist oder Bankangestellter ausgibt, löst das bei vielen automatisch Respekt aus, und damit auch eine höhere Bereitschaft, der Aufforderung Folge zu leisten. Mit Sätzen wie „Sie müssen sofort handeln, sonst passiert etwas Schlimmes!“, erzeugen die Anrufer automatisch Stress. In solchen Momenten schaltet unser Verstand schnell in den Alarmmodus.
Wer einmal eingewilligt hat, bleibt oft aus einem inneren Pflichtbewusstsein heraus dabei, selbst wenn ein mulmiges Gefühl aufkommt. Laut dem Re-engage-Report (The Unseen Price of a Scam) sind besonders ältere Menschen in verletzlichen Lebenslagen gefährdet. Einsamkeit, Isolation oder der Verlust einer nahestehenden Person gehören nachweislich zu den Risikofaktoren. Sie sehnen sich nach Orientierung und Sicherheit – und genau dort setzen Telefonbetrüger an.
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Repeat-Victimization: Warum Telefonbetrug mehrfach klappt
Diese Mischung aus einer vermeintlichen Drucksituation, gepaart mit gespielter Autorität und emotionaler Verwundbarkeit auf Betroffenenseite macht deutlich, warum Telefonbetrug so effektiv ist. Doch das erklärt noch nicht, weshalb viele Bürgerinnen und Bürger nicht nur einmal, sondern gleich mehrfach in die Betrugsfalle tappen.
Dahinter steckt eine ausgeklügelte Masche. Wer einmal reagiert hat, wird in dubiose Listen aufgenommen und immer wieder angerufen. Und das oft in kurzen Abständen und mit immer raffinierteren Tricks, wie etwa dem Wechsel der Rollen („Polizist“, „Bankberaterin“, „Enkelkind in Not“) oder durch vermeintlich neue Vorwände, die an die erste Geschichte anknüpfen. Forschende von RTI International und der University of Minnesota haben solche Listen beschlagnahmter Betrugsnetzwerke ausgewertet. Das Ergebnis: Fast jeder zweite Studienteilnehmer war mehrfach von Betrugsanrufen betroffen.
Der erste „Erfolg“ prägt dabei nicht nur die Telefonbetrüger, sondern auch die Geschädigten selbst. Man spricht hier von psychologischer Vorkonditionierung. Hierbei entwickeln Menschen bestimmte Erwartungsmuster und Handlungsroutinen, die es den Trickbetrügern erleichtern, erneut ihr Ziel zu erreichen. Hinzu kommt der Commitment-Effekt: Wer einmal zugestimmt oder mitgemacht hat, fühlt sich innerlich verpflichtet, auch beim nächsten Mal zu reagieren.
Folgen für Betroffene: Misstrauen, Scham und finanzielle Schäden
Ein Telefonbetrug kann starke psychische Belastungen hervorrufen. Die Angst, erneut hereinzufallen, mischt sich mit tiefem Misstrauen gegenüber Fremden, manchmal sogar gegenüber vertrauten Personen. Nicht selten ziehen sich Menschen zurück, weil sie den Glauben an ihre eigene Wahrnehmung verlieren.
Hinzu kommen oft erhebliche finanzielle Schäden. Besonders ältere Menschen sind von hohen Verlusten betroffen. So gibt es immer wieder Fälle, in denen Betroffene über 100.000 US-Dollar an die Anrufer überweisen, meist verteilt auf viele einzelne Teilbeträge.
Besonders schwer wiegt die Scham, die viele Geschädigte danach empfinden. Sie fühlen sich „dumm“ oder schuldig, obwohl sie hochprofessioneller Manipulation ausgesetzt waren. Dieses Gefühl führt häufig dazu, dass sie nicht darüber sprechen, keine Anzeige erstatten und auch keine Hilfe suchen.
Schutz und Prävention: Wie können wir Telefonbetrug vorbeugen?
- Aufklärung: Indem wir offen über Telefonbetrug sprechen, nehmen wir den Trickbetrügern einen Teil ihrer Macht. Wer versteht, dass nicht „Leichtsinnigkeit“, sondern psychologische Manipulation am Werk ist, kann Schamgefühle ablegen und mit mehr Selbstbewusstsein reagieren.
- Klare Meldewege: Polizei, BaFin oder die Bundesnetzagentur nehmen Hinweise sehr ernst und tragen dazu bei, den Telefonbetrügern das Handwerk zu legen. Jede Meldung zählt und kann verhindern, dass anderen das Gleiche widerfährt.
- Technische Hilfen: Für eine schnelle Überprüfung unbekannter Rufnummern kann eine Rückwärtssuche genutzt werden, um Informationen über die Seriosität eingehender Anrufe zu erhalten und sich somit zusätzlich abzusichern.
Fazit: Telefonbetrug ist kein Zeichen von Naivität, sondern das Ergebnis gezielter Manipulation
Wer die psychologischen Tricks kennt, erkennt auch die Gefahr und kann schneller Grenzen setzen. Entscheidend sind Aufklärung, offene Gespräche und konsequentes Melden verdächtiger Anrufe. So nehmen wir Trickbetrügern ihre Macht und schützen uns selbst wie auch unsere Angehörigen vor erneuten Angriffen.